Diesen Fehlschluss machen wir stĂ€ndig😵

Jetzt gerade ist einer dieser Momente. Mein Puls geht schneller und mein Atem wird flacher. Ich sitze vor meiner Agenda fĂŒr diese Woche und versuche minutiös zu planen, was alles unter einen Hut muss.

Kind in den Chindsgsi und aus dem Chindsgi, Kurs vorbereiten, Newsletter schreiben (on it), Buchhaltung, uuh fuck WÀsche waschen!, Einkaufen, und ja tja, die Wohnung saugen wÀre auch dringend nötig, hat aber keinen Platz mehr.

Zwischenbemerkung: In diesem Newsletter geht’s ums Elternsein. Ich glaube der Aspekt, den ich heute beleuchte, betrifft uns alle, ob mit oder ohne Kinder. Ein bisschen weiter unten wird klar wieso.

Ich plane also den effizientesten Weg durch die Stadt, auf dem ich noch BĂŒcher in die Bibliothek zurĂŒckbringe, mein Velo zum Mech bringe (wiesooo spinnt das jetzt schon wieder?!) und Utensilien fĂŒrs RĂ€benschnitzen organisiere (nicht, dass ich wie letztes Jahr die einzige unter den Eltern bin, die wie eine Deppin mit leeren HĂ€nden da steht, weil sie wieder den Zettel in der Eile nicht richtig gelesen hat).

Wenn in solchen Momenten mein Kind dann auch noch einen Tobsuchtsanfall hat, weil es den Fernseher nicht wie vereinbart nach einer Stunde ausschalten will*, ist meine Reaktion alles andere als empathisch.

*mehr dazu im PPPPS


Wir kennen sie alle, diese stressigen Situationen in unseren Leben (ganz egal ob als Eltern oder nicht). Oft reagieren wir darauf innerlich mit Selbsturteilen und Vergleichen, mit denen wir uns dann auch noch selber maltrÀtieren.


«Ich hĂ€tte mich gescheiter organisieren mĂŒssen. Selber schuld. XY haben das mit ihren Kids viel besser im Griff als ich. Jetzt muss mein Kind unter meinem Stress leiden.» etc., etc.

Ich will keine umfassende Analyse vornehmen, aber eine Ursache, dass wir in Selbsturteile verfallen, scheint mir sonnenklar: Wir leben in einer individualisierten Gesellschaft und wir haben diesen Individualismus tief internalisiert. Wenn wir gestresst sind oder irgendwas schief lÀuft, passiert es deswegen schnell, dass wir erstmal uns selber die Schuld geben. Unsere Wut richtet sich gegen uns selber und nicht gegen ein System, das diese Probleme verursacht.


Wenn wir anfangen, individuelle Schwierigkeiten mit einer systemischen Linse zu betrachten, merken wir, dass die Strukturen nach wie vor nicht fĂŒr uns gemacht sind.


Übrigens, in der zweiten Folge unserer sE>ndung rede ich unter anderem auch ĂŒber dieses Thema.

(Sonja geht ausserdem auf den Inhalt des letzten Newsletters ein, die Vision einer Welt, in der alle Wesen des Ökosystems gleichermassen in ihren BedĂŒrfnissen geehrt werden.  Und wir setzen uns kritisch mit dem Aktivismus-Begriff auseinander, der nicht nur anziehend, sondern auch ausgrenzend wirken kann.)

Als Eltern wird von uns erwartet, dass wir in unserer Eltern-Rolle, im Job, als Freund:in und Partner:in gleichermassen prĂ€sent sind und Leistung erbringen. «Scheitern» ist vorprogrammiert.

Was wir brauchen, sind Orte, an denen wir Empathie, RĂŒckhalt und Gemeinschaft erfahren. Orte, an denen wir merken, dass wir mit unseren Schwierigkeiten nicht alleine sind. Wo wir uns beklagen und ausheulen können und Gehör finden. Orte, die Ausgangspunkt sein können fĂŒr das Entstehen von unterstĂŒtzenden Communities und Projekten fĂŒr politischen Wandel. Einen solchen Ort will ich an meinem nĂ€chsten Workshop schaffen.

E> Tanja

PS: Es ist verletzlich sich ĂŒber das Muttersein zu beklagen und ich habe Angst, dass Leute denken könnten, ich liebe meinen Sohn nicht. Ich schreibe in diesem Newsletter vor allem ĂŒber die Herausforderungen. Ich erlebe das Muttersein aber auch als Geschenk und die Liebe und Hingabe, die ich fĂŒr mein Kind empfinde, ist in Worten nicht zu beschreiben.

PPS:  Der Satz musste noch kommen: «It takes a village to raise a child». Darum an dieser Stelle eine Riesenportion Dankbarkeit und Liebe fĂŒr die zwei Menschen, die den Kern meines Dorfs bilden: der Papi meines Sohnes und mein Mami (s’Grosi). Ich liebe euch, ihr seid grossartig.❤️

PPPS: Last but not least, viel Dankbarkeit fĂŒr die Dorf-Mitglieder, die immer zu wenig WertschĂ€tzung bekommen: Die Chindsgi-Lehrerinnen (Frau Vukovic und Frau Blöchlinger. You rock🤘).

PPPPS: Ich wollte zuerst schreiben «nach 20 Minuten fernsehen». Ich glaube, dass eine der grössten LĂŒgen, die wir Eltern einander erzĂ€hlen, die Anzahl Minuten/Stunden sind, die unsere Kinder TV schauen dĂŒrfen. Stimmts? Ich freu mich ĂŒber Reaktionen 🙂 Schreib mir auf tanja@empathiestadt.ch

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