Die grösste Lüge⚡

Kürzlich erhielt ich folgende Nachricht: Da jetzt ein weiterer Aufruf kommt, steigt unwillkürlich – ob berechtigt oder nicht – das Bild vom Fass ohne Boden auf. Und die Frage drängt sich auf, ob vielleicht mit Eurem «Geschäftsmodell» etwas nicht stimme.

Bild: Nicola Bossard

Weil ich mir vorstelle, dass dieser Mensch nicht allein mit seinen Gedanken ist, möchte ich Stellung nehmen. Dazu will ich etwas ausholen. Ich schreibe heute über Unabhängigkeit und Zugehörigkeit.

Die grösste Lüge⚡der Konsumgesellschaft ist, dass wir einander nicht brauchen. Unabhängigkeit gilt als intrinsisch gut. Dabei vergessen wir zu fragen: unabhängig wovon? Selbstverständlich ist es gut, wenn wir uns von allen Formen der Unterdrückung befreien, aber ist es deswegen sinnvoll, dass wir uns überall und von allem unabhängig machen?

Ich glaube nicht.


Uns war von Anfang an klar, dass wir in der Empathie Stadt keine blosse Dienstleistung anbieten. Wir sind keine Kommunikationscoaching-Firma. Wir sind ein Gemeinschaftsprojekt.


Die Konsumgesellschaft, in der wir uns scheinbar all unsere Bedürfnisse durch Geld erfüllen können, suggeriert uns, dass wir einander nicht mehr brauchen. Wenn wir Hunger haben, kaufen wir uns etwas im Supermarkt, wenn wir uns lebendig fühlen wollen, schauen wir einen Action-Thriller (das mache ich zwar nie, ich hasse Thriller, ich schaue Tiervideos), wenn wir nicht mehr weiter wissen, zahlen wir für ein Lifecoaching oder konsumieren etwas, um die Gefühle wegzudrücken.

In dieser Kultur erklingt tagtäglich die Botschaft, dass wir niemanden brauchen. Wir können uns alles erkaufen. So leben wir in einer Zeit der grossen Separation. Einsamkeit wird von wichtigen Menschen (ich vergesse immer die Namen der wichtigen Menschen, aber googelt’s doch) als Epidemie bezeichnet. Wir* wissen nicht mehr, wie sich echte Zugehörigkeit anfühlt.

Die Wahrheit, die wir jedoch alle kennen – manchmal wird sie einfach von der Werbeindustrie übertönt** – ist, dass wir einander brauchen. Und zwar nicht nur im engen, sondern auch im weiten Sinne dieses Wortes. Wir brauchen nicht nur ein, zwei Menschen. Wir brauchen Gruppen, wir brauchen Gemeinschaft, wir brauchen eine Gesellschaft der Zugehörigkeit.

→ Das ist ein Auszug aus der 3. SondersE>ndung. Wir reden darüber, wie der Ausstieg aus der Konsumlogik der Wiedereinstieg in wahre Gemeinschaft sein kann (Minute 1:16:08).

* Ich spreche für Menschen, die in einer ähnlichen Kultur wie ich aufgewachsen sind. Selbstverständlich spreche ich nicht für alle, ich verweise auf eine Tendenz.

** und von ganz vielen anderen Systemen

Bild: Nicola Bossard
Bild: Nicola Bossard

Wir brauchen nicht nur ein, zwei Menschen. Wir brauchen Gruppen, wir brauchen Gemeinschaft, wir brauchen eine Gesellschaft der Zugehörigkeit.


Was nützt es uns, wenn wir lernen, unsere Bedürfnisse mitzuteilen, wenn keine Gemeinschaft vorhanden ist, innerhalb derer wir gehört und umsorgt werden?

Wir sind ein Gemeinschaftsprojekt und alle Menschen sind eingeladen, Teil davon zu werden. Darum entschieden wir uns (und bleiben bei diesem Entscheid), dass wir unsere Arbeit nicht zu einem fixen Preis anbieten. Im Namen der Gemeinschaftsbildung verschenken wir sie. Wir sind uns sicher, dass unsere Gemeinschaft derart gewachsen ist und die Beziehungen in kurzer Zeit so tief geworden sind, weil wir Menschen nicht zwingen, uns Geld zu geben, damit sie bei uns Zugehörigkeit erleben dürfen.

Somit lautete ein Teil der persönlichen Antwort, die ich auf die oben zitierte Nachricht erwiderte: Ich bin stolz auf unser Geschäftsmodell, mit dem wir uns bewusst von der die Welt zermürbenden Konsum- und Leistungslogik abgrenzen. Wir erproben etwas gänzlich Neues. Dass Pionierarbeit (damit meine ich nicht die Empathie, sondern unseren Umgang mit Geld) nicht auf Anhieb in ihrem Wert erkannt wird und somit mehrere Anläufe gemacht werden müssen, bis die Idee auf Anklang stösst, gehört zur Natur des Wandels. Ich lasse mich dadurch nicht verunsichern***

*** Ich habe auch noch Empathisches geschrieben, aber heute habe ich Lust auf Selbstausdruck, darum zeige ich euch nur diesen Teil. Vor lauter Empathie möchte ich nicht vergessen, meine Gedanken zu ehren.

E> Tanja

PS: Eigentlich habe ich mir eingetragen, dass ich euch heute nur kurz schreibe, dass es noch sieben Tage bis zum Ende unseres Crowdfundings sind und dass wir noch 17’710 CHF brauchen, um die 100’000 zu schaffen.

PPS: Auf mir unerklärliche Weise ist diese gehaltvolle E-Mail daraus entstanden.

PPPS: Ich glaube, es fällt mir einfach schwer, so klassisch Crowdfunding-Style Krawall zu machen. Ich wünsche mir, dass es auch anders geht. Dass Menschen uns Geld spenden, weil sie die Tiefe unseres Anliegens verstehen.

PPPPS: Krawall, Krawall … *Satz, der Angst und Zeitknappheit in euch auslöst* … hier ist der Link zum Crowdfunding.

PPPPPS: Was stimmt, ist, dass alles Geld den Spender:innen zurück gesandt wird, wenn wir die 100’000 nicht erreichen.

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